Feiglinge

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Quelle: CC-BY-SA 3.0 – Behn

Marktbeherrschende StellungMonopson… was bedeutet das eigentlich für mich als Bücher-lesenden eBook-Kunden?

Langeweile

Mir geht es ja irgendwo ähnlich mit der Einschätzung, dass das Thema Preisabsprachen für eBooks langweilt – ich lese vielleicht ein Buch pro Jahr, im Moment Das Lied von Eis und Feuer aus nahe liegenden Gründen. Trotzdem sitzt man irgendwann ob der Einschätzungen die von den versammelten Apple-Umfeld-Bloggern kolportiert werden vor dem Monitor und versteht die Welt nicht mehr.

Wir erinnern uns: Apple verkauft die meisten „PCs“ auf der ganzen Welt. 80, 70, 60 50 nun gut knapp 30 Prozent aller Tablets stammen von Apple, welche für 82,4 Prozent des Tablet-Datendurchsatzes sorgen. Amazon musste die Verkaufsmöglichkeit auf iOS aus der Kindle-App werfen und kleine Verlage müssen ihr Geschäft unter iOS komplett einstellen weil sie die 30% Gebühr nicht stemmen können.

Zur gleichen Zeit verramscht Amazon eBooks unter Einkaufspreis „wholesale“, sprich nach dem Großhandels-Modell.

Also setzt sich Apple mit mehreren Verlagen in das Hinterzimmer eines New Yorker Nobelrestaurants, um das eigene 30% „Agentur-Modell“ inklusive der von Amazons Marketplace bekannten „Most favorable nation“ Klausel umzusetzen. Apple durfte demnach von den Verlagen verlangen, dass diese im iBookstore immer den günstigsten Preis auszeichnen – das was sich auf Deutsch so schön „Tiefpreisgarantie“ schimpft.

Leider kommt es wie es kommen musste – Steve Jobs freut sich über die Absprachen ein Loch in den Bauch und kann sich schelmische Aussagen gegenüber Walt Mossberg leider nicht verkneifen, und die Richterin bezeichnet gerade auf Basis dieses Videos die Beweislage vor dem Prozess als „erdrückend“. Und kaum ist das Urteil gesprochen, wird über die fünf Verlage die einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen haben, her gezogen.

Nochmal langsam, zum Mitschreiben: die Richterin bezeichnet die Beweislage als erdrückend, die Verlage vergleichen sich weil sie die Aussichtslosigkeit dies erkennen, und dann wenn das Urteil als sehr hart erwartet wird heben sie die Hand und sagen „bitte nicht zu streng, wir wollen auch noch weiter leben“ – und dann knüppelt man noch ein wenig oben drauf? Nach dem Motto „Nächsts Mal stürzt Du Dich bitteschön in Dein Schwert, Mitstreiter“

Den Ausgang als Hinweis werten, dass Apple sich eventuell auch hätte vergleichen sollen? iWo. Warum denn. Wer da keine Flashbacks bekommt an den Patentrechts-Prozess gegen Samsung muss an Amnesie leiden. Total peinlich, was Samsung da abgezogen hat, nicht wahr?

Bräsigkeit

Aber das ist natürlich noch nicht alles. Weil man nicht versteht, warum Apple trotz sinkender Margen von der Wall Street nicht weiter geliebt wird, sprich der Aktienkurs nicht immer neue Höhen erreicht, vergleicht man Apple mit Amazon und kommt zu dem Schluss dass

a) Apple und Amazon ja total gleich sind, weil ihnen das Wohl des Kunden am Herzen liege und

b) zwar alle Analysten glauben, dass Apple in einer enormen Konkurrenzsituation steht und Amazon quasi keine Konkurrenten hat, man selbst das aber alles ganz anders sieht

Entgegen einer schlüssigen Ausführung von MG Siegler.  Und warum? Weil man Horace Dediu heißt.

Er schreibt

But again, new information technology which makes shopping, discovery and delivery of products directly from the vendor, bypassing the aggregator (i.e. retailer) could shift value along the value chain yet again.

Sprich das was Amazon mit seinem mehrfach patentierten Shop-System in den letzten 15 Jahren hinbekommen hat, könnte jederzeit irgendein anderer Anbieter übertreffen.

Aber nicht nur das. Dediu etwas weiter oben

Apple has its own “Amazon-like-business”: iTunes has been growing at a steady 25% or more and it also has its ancillary zero-profit hardware analogue to the Kindle called Apple TV.  iTunes is a great business in the Amazon vein, harvesting hundreds of millions of users (and their credit cards.) Presumably iTunes could also some day “flip the switch” and become profitable

Überraschung

Kurz aufgelistet

– Apples iPads sorgen für 82,4% allen Internet-Verkehrs für Tablets
– Amazon könnte jederzeit von einer anderen Firma Konkurrenz gemacht werden
– iTunes und die 500 Millionen Kreditkarten-Nummern könnten jederzeit zu Geld gemacht werden
– die „9,95 Dollar pro Buch“-Politik von Amazon könnte zu einem Monopson führen
– Apple kontrolliert, welche Inhalte in iTunes gelangen – bei 30% Marge und eBook-Tiefpreisgarantie

Meine Frage dazu:

WIE BITTESCHÖN PASST DAS ALLES ZUSAMMEN?!?

Wie kann es sein, dass man gleichzeitig glaubt, Amazon könnte eine marktbeherrschende Position bei eBooks erreichen, aber gleichzeitig Horace Dediu dazu beglückwünschen, dass er eine treffende Analyse zu Amazon und Apple abgibt? Wenn Amazon jederzeit von einem anderen Anbieter Konkurrenz gemacht werden kann, wie kann die Firma dann jemals ein Monopson aufbauen bzw. aufrecht erhalten?

Wie kann es sein, dass Apple „jederzeit“ aus iTunes und den vielen Kreditkartennummern nie zuvor erträumte Umsätze erzielen könnte, wenn dies im Prinzip nur durch ein Monopol/Monopson zu erreichen wäre? Denn wenn trotz 30% Marktanteil und über 80% allen Traffics die erträumten Gewinne über iTunes nicht erzielt werden, was wenn nicht eine marktbeherrschende Stellung ist nötig, damit Apple solcherlei Gewinne erzielt?

Schrödingers Apple

Es kommt einem beinahe so vor, als würden die lieben Herren Blogger Apple und Amazon je nach Situation in den gewünschten Zustand heben. Wird man vom DOJ verklagt, so ist man der weiße Ritter der die Welt und seine eBook-Kunden nur vor dem bösen Monopson-Ungeheuer Amazon beschützen will. Ist hingegen der Aktienkurs gefühlt zu niedrig kommt man einfach auf die Idee, dass Apple jederzeit aus iTunes geschnitten Brot machen könnte, ganz ohne böse Marktbeherrschung, während man gleichzeitig zu dem Schluss kommt, dass das geschnittene Brot von Amazon ja komplett faulig sei denn jederzeit könne denen ja irgendwer einfach mal so eben Konkurrenz machen.

Die Katze ist gleichzeitig tot und am leben.

Also bitte nicht die Kiste aufmachen, man könnte mit runtergelassenen Hosen erwischt werden.

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