Disconnect

 

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Ich bin gerade einmal wieder über den Begriff „Disconnect“ gestolpert

Disconnect – Ein netter Eintrag für’s Bullshit-Bingo.

Pointy Haired Boss

Wer nicht weiß was mit Bullshit-Bingo gemeint ist sollte entweder mal in einer großen Firma arbeiten oder Dilbert lesen. Disconnect ist nicht einmal DEnglisch, denn meiner Ansicht nach ist mit dem Begriff im Deutschen nichts verbunden. Jeder liest den Absatz und denkt sich „klar, damit ist (…) gemeint“. Nur leider setzt jeder Leser für die Punkte nicht unbedingt das Gleiche ein. Eben weil es (noch) keine passende Übersetzung gibt.

Was aber ist überhaupt gemeint? Wieso nennen wir es Disconnect wenn  Tim Cook sagt, dass die Beziehung zum Kunden mit dem Kauf des Tablets erst anfängt – und die Analysten an der Börse daraus ableiten, am besten jetzt sofort Apple-Aktien zu verkaufen? Was sagt es aus dass Cook darauf hinweist, dass es Apple interessiert, ob die Geräte wirklich genutzt werden oder nicht? Was sagt uns der Hinwies auf Samsung am Ende des Artikels, in dem klar wird, dass die Firma sich ihre Ideen vom Markt selbst besorgt?

Ist es überhaupt ein „Disconnect“ den wir beobachten wenn Apple nachhaltig an die Kundenbeziehung heran geht, Samsung hingegen offen zugibt, nur noch zu kopieren – und die Analysten Samsung dafür belohnen, Apple jedoch nicht?

Oder sind wir als Laien des Finanzmarktes nicht einfach völlig unerfahren darin, was die Börse überhaupt will?

Ich habe das neulich schon einmal angesprochen – ich kapiere diese Schizophrenie nicht, mit der Apple-Beobachter von @gruber bis @mat sich darüber amüsieren, dass Amazon einen P/E-ratio von 2500 hat, Apple dagegen bei 8 oder 9 rumkrebst, und der Aktienkurs genau das gefühlte Gegenteil von dem widerspiegelt, was man als Laie eigentlich erwarten würde. Sprich der Markt bzw. die Analysten „haben keine Ahnung“. Gleichzeitig aber vermitteln die Apple-Fans, dass man die Firma für etwas Besonderes hält.

Wie passt es dann zusammen, dass man gleichzeitig etwas BESONDERES sein will, aber doch bitteschön wenn es um den Aktienkurs geht wie ALLE ANDEREN eingeschätzt werden will?

Ist die Einschätzung der Analysten nicht eher die Bestätigung dafür, dass Apple etwas Besonderes ist? Ich habe schon einmal den Vergleich gewählt dass diese Einstellung so wäre als ob man stolz wie Oskar ist, dass man den Publikumspreis beim Sundance Film Festival gewonnen hat, und dann schmollt weil man keinen Academy Award bekommt, bei dem bekanntermaßen nur die Mitglieder der Academy of Motion Pictures Arts and Science wählen dürfen – sprich alle nur eben NICHT die Zuschauer. Ein Preis von Hollywood FÜR Hollywood.

Ist der Aktienkurs demnach nicht eher eine Bestätigung dafür, dass Apple „anders“ ist?

Ganz davon ab: warum erwartet man von Menschen, die die Welt 2008/9 nahe an den Abgrund geritten haben, eine logische Bewertung des Konzerns Apple? Ist es nicht vielmehr so dass wir Nicht-Soziopathen im Prinzip dastehen und versuchen, die Soziopathen zu verstehen? Mitarbeiter von Goldman-Sachs haben irgendwann gegen die eigenen Finanzprodukte gewettet. Sowas ist meiner Ansicht nach nur möglich, wenn man kein Gewissen hat

Disconnect? Ja klar

Ist es nicht viel eher so, dass WIR diejenigen sind, die unter einem „Disconnect“ leiden? Ist es nicht viel eher so dass die Zahlen von Apple eindeutig hergeben, dass das grenzenlose Wachstum vorbei ist? Dass Apple nunmehr in den Bereich kommt wo die Jahre zwar immer noch fett sind, man aber nicht mehr alles was war verdoppelt? Ist es nicht eher so dass die Aktien bisher ein Spekulationsobjekt waren und jetzt zu einer sicheren Anlage werden? Ist Apple nicht eigentlich durch die Philosophie, durch die offensichtlich gewollte Kundenbindung ein recht konservatives Unternehmen, von dem der Markt quasi schreiend fordert, das nächste Perpetuum Mobile zu erfinden, während es eigentlich darum geht durch Kundenbindung so etwas zu werden wie ein Hausgerätehersteller?

Ist Apple nicht eher Miele als Tesla?

Apple hatte in den letzten 13 Jahren ein Kurswachstum von 1572 Prozent. Warum um alles in der Welt juckt es uns dass es nicht 3000 Prozent sind? Oder 6000?

MICH juckt es, wie das nächste Produkt aussieht.

Disconnect ist, wenn man meint man müsste Artikel schreiben darüber, dass eine Volksgruppe von Soziopathen die eigene „Mannschaft“ nicht mit einer 1 mit Sternchen auszeichnet, während es eigentlich nur interessieren sollte, ob die Firma weiter existiert. Vor 15 Jahren war Apple am Abgrund und wurde von Steve Jobs (und einer Finanzspritze von Microsoft) vor der Schließung gerettet. Mit den derzeitigen Barreserven wird Apple höchstwahrscheinlich noch Jahrzehnte gute Produkte entwickeln können.

Warum kümmern wir uns um Vorträge vor Börsen-Heinis? Warum interessiert es uns, ob Consumer-Reports dem neuesten iOS-Gerät das Prädikat „wertvoll“ anheftet?

Seit ich mein iPad mini habe, fällt meine tägliche Benutzung von Computern fast zu 80% auf das mini. Es ist das beste iPad das es jemals gab – und es hat ZWEI Jahre gedauert, bis Apple es ENDLICH auf den Markt gebracht hat. In diesen zwei Jahren habe ich mich mit Leuten gekabbelt die mir klar machen wollten, warum alle schweren, langsamen und klobigen iPads davor trotzdem der geilste Scheiß seit Erfindung der Bratwurst waren – genau so wie ich mich mit Leuten gekabbelt habe die mir erklären wollten, dass Cyanogenmod ja die Wucht wäre – obwohl ich es nicht auf meinem Android-Handy zum Laufen bringen konnte. Auch hier hat es zwei Jahre gedauert, bis ich mit dem Galaxy Nexus an ein Gerät gekommen bin, das WIRKLICH unterstützt wird. Und trotzdem habe ich 9 Stunden für das Aufspielen von Cyanogenmod gebraucht.

Warum kommt im Moment gegenüber Dell nur Häme rüber, während ich diese Zeilen vor einem gnadenlos günstigen 27 Zoll Dell-Monitor tippe, der an ein (Dell) Alienware X51 angeschlossen ist und deshalb hoffe, dass die Firma überleben wird?

Sprich: mir ist es sowas von egal, wer „gewinnt“. Mir ist es auch komplett Wurst, ob Dell weiter an der Börse gehandelt wird. Ich finde Windows 8 lachhaft – trotzdem hoffe ich nicht, dass die Firma eingehen wird.

Wieso fällt es uns so schwer, objektiv zu sein und Dinge danach zu beurteilen, wie sie wirklich sind? Warum definieren wir uns über die Meinung anderer Leute?

Von daher würde ich empfehlen den Blick über den Tellerrand zu wagen. Immer und jederzeit. Ausprobieren. Nicht immer nur die gleichen Webseiten lesen. Dinge die egal sein können egal sein lassen. Wen juckt es ob man 4000 Mails im Posteingang hat? Was interessiert es, ob AAPL auf 500 oder 1000 Dollar steht? Ist es wirklich wichtig, in der Computerbild das eigene Gerät auf Platz 1 zu sehen?

Sollte es nicht darum gehen, Spaß zu haben, egal ob auf dem Gerät das man in der Hand hält nun ein Alien, ein Fenster oder ein Apfel drauf klebt?

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2 Antworten

  1. Selcuk sagt:

    Deine Beiträge sind wirklich grandios.
    Es ist nur schade, dass man so etwas schreiben muss. Ich finde es eine Selbstverständlichkeit, dass es egal ist was der andere benutzt und woran er Spaß hat. Die Hauptsache ist, dass er Spaß hat.

    Schwanzgrößenvergleiche – entschuldige bitte- waren und sind mir immer noch egal. Ich probiere einfach alles was ich will aus und entscheide dann was für mich das beste ist.
    Was die „anderen“ darüber denken muss ich zum größten Teil leider ignorieren, weil es mit der Sache meistens nichts zu tun hat. Da geht es eher um, wie oben erwähnt, Sch….größenvergleiche.

    Aber, dass du 9 Stunden für das Aufspielen von CM gebraucht hast liegt eindeutig bei dir. 🙂

    Das nächste Mal kannst mich gern fragen. Ich helfe dir gern.

    Auch wenn deine „Blog-Frequenz“ gering ist, ist sie dafür um so mehr qualitativ sehr hoch. Vielen Dank dafür.

    Ich warte gespannt auf deinen nächsten Beitrag.

    Viele Grüße aus Hamburg

    • Sebastian Peitsch sagt:

      Die 9 Stunden waren sicherlich Worst-Case da 10.2 direkt nach Aufspielen von 10.1 rauskam und ich einfach auf den „Ja gerne Updaten“ Knopf gedrückt habe. Resultat: die 8GB Podcasts wurden mit .nowrite versehen und ich musste das Gerät nochmal flashen um wieder an den Speicher zu kommen. Und nach dem ersten Aufspielen von 10.1 war der Dalvik-Cache Schuld an einer Stunde Verzögerung.

      Ansonsten Danke für die Blumen – Gruber schreibt ja auch nur alle paar Tage oder gar Wochen einen Artikel – der Rest sind Linked-items, quasi Twitter nacherzählen. Das muss ich nicht auch noch machen, dafür gibt es andere.