Milchmädchen

China Current Users

Quelle: Asymco.com

Alex Olma zitiert einen Artikel von Jeremy Horowitz. Dieser spricht unter anderem davon, dass Apple ein preiswerteres iPhone entwickelt. Grund hierfür sei, dass Apple in China bereits an Wachstumsgrenzen stoße. Der durchschnittliche verdienst liegt dort bei 3000 US-Dollar im Jahr, das billigste iPhone kostet 500 US-Dollar. Damit kostet das iPhone in „main land China“ mehr als in Hong-Kong.

Die Einschätzung, dass Apple an Wachstumsgrenzen stößt, ist zunächst einmal sehr richtig. In der elendigen Diskussion rund um die Quartalszahlen von Apple wurde vielfach nicht nachvollzogen, dass das „dreistellige“ Wachstum in China effektiv weniger als das Wachstum im Rest der Welt ist. In der Vergangenheit hat jedes neue iPhone Apple einen Zuwachs beschert der höher war als der Umsatz aller vorhergehenden iPhones in den Jahren zuvor zusammen genommen. Wir befinden uns im sechsten Jahr des iPhones. Ein Zuwachs von 100% gegenüber dem Vorjahr ist demnach eindeutig weniger als „alles vorhergehenden Jahre zusammen nochmal oben drauf“ sondern lediglich „letztes Jahr nochmal oben drauf“. Um das nachvollziehen zu können muss man kein Mathematiker sein.

Viele Analysten und Kommentatoren sind nunmehr der Ansicht dass dies am Preis des Geräts liegt. Horace Dediu von Asymco.com hat in der Vergangenheit Apple die Fähigkeit zugeschrieben, durch die Weiterführung alter Produktlinien und damit einher gehende Verbilligung das „Gesetz der großen Zahlen“ besiegen zu können. Dies hat ungefähr so lange funktioniert bis Apple das 3GS aus dem Programm genommen hat. Mehr noch – mittlerweile weist Dediu nach dass der durchschnittliche Verkaufspreis des iPhone in den letzten Jahren sogar noch gestiegen ist – zu Zeiten des 3GS lag dieser bei 375 Dollar, seit das iPhone 4 mit 8GB das Einstiegsgerät ist, liegt der Einstiegspreis bei 450 Dollar. Seine Analyse dazu: der Preis steigt weil die Mobilfunkanbieter iPhones einkaufen, subventionieren, und damit Breitbanddienste verkaufen.

Womit wir wieder bei China wären. Die obige Grafik habe ich einem weiteren Artikel von Asymco vom letzten März entnommen. Sie ist im Original fünf Mal so hoch und beschreibt die „iPhone Opportnunitybezogen auf  in China und die USA. Ich habe Horace Dedius Hang zur vertikalen Gigantomanie bereits letztes Jahr kritisiert aber das soll hier nicht Thema sein. Vielmehr möchte ich verdeutlichen, warum es schlicht sinnfrei ist die gleichen Wachstumsraten in China zu erwarten wie vom Rest der Welt. Und warum ein billigeres iPhone in China effektiv nichts bringt – ob das Gerät so etwas wie eine „abhängig machende Substanz“ ist sei dabei dahingestellt.

Dedius Grafik kumuliert alle in den USA und China lebenden Menschen – deshalb ist die Grafik so hoch. 1,5 Milliarden mögliche Kunden „Long-Term“,  sprich auf lange Sicht. Warum aber ist der mögliche Markt in China im Vergleich zur USA so klein?

Die Antwort: 3G. In China sind die schnellen Mobilfunknetze bisher nicht weit genug ausgebaut. Ein Smartphone ist ziemlich sinnfrei wenn es keine ordentliche Anbindung an das Internet hat, verstärkt noch durch die Tatsache dass Dienste wie Siri nur über Server funktionieren. Nehmen wir deshalb doch einfach mal die Grafik und entfernen die USA, die uns nicht interessiert. Dabei kommt dann so etwas heraus:

chinafutureusers2

Die erreichbare Kundenzahl liegt derzeit bei knapp 83 Millionen, 10% davon haben ein iPhone. „Near-Term“ kommen noch einmal knapp 53 Millionen Kunden dazu wenn alle chinesischen Mobilfunkanbieter das iPhone anbieten würden. Zum Vergleich: in den USA liegt das Potential bei 183 Millionen (von 300+ Millionen Einwohnern)

Der ganz große, nur auf Asymco sichtbare Balken, „Long-Term“ bezieht sich aber auf den möglichen Markt, wenn ALLE Kunden zu 3G wechseln UND alle EINWOHNER ein Telefon besitzen. Hiervon spricht Dediu dann Apple 20% zu – oder 256 Millionen potentielle Käufer in China.

Die Rechnung bitte

Der Titel meines Eintrags ist „Milchmädchen“. Das ist ungefähr die Einschätzung die ich für die Zahlen von Dediu habe. Ich könnte mich jetzt wieder köstlich über die Annahmen echauffieren und darlegen warum ich sie für aus der Luft gegriffen halte.

Statt dessen mal ein anderer Ansatz, und zwar ein logischer. Betrachten wir die Problemlage doch mal aus der Sicht von Apple. Daraus ergeben sich folgende Fragen:

  1. wie groß ist die Mobilfunkabdeckung?
  2. wie viele Kunden haben eine Daten-Flatrate?
  3. wie hoch ist der ARPU pro Kunde, sprich wie viel Geld gibt ein Nutzer für Datendienste aus?
  4. wie hoch war bisher der Kaufpreis von Mobilfunkgeräten?
  5. wie viel ist ein Kunde bereit für ein Smartphone auszugeben im Vergleich zu Feature-Phones?

Das klingt auf den ersten Blick unspektakulär, deshalb verpacken wir es doch einfach mal etwas knalliger:

Wieso werden Artikel über „billige iPhones“ verfasst, wenn kein Kommentator auch nur den blassesten Schimmer davon hat, wie die Lage in China wirklich aussieht? Keine Sau (‚tschuldigung) liefert uns belastbare Zahlen. Statt dessen wird irgendein Schwachsinn gefaselt davon dass man nur die Telefone billiger machen muss, damit die Chinesen bereitwillig Smartphones kaufen. Wie billig aber müsste ein solches Telefon überhaupt sein, damit es für einen durchschnittlichen Chinesen erschwinglich ist? China ist nicht die USA, wieso werden diese Länder überhaupt miteinander verglichen? Wie ist das Nutzungsverhalten von Mobilfunkkunden in ANDEREN SCHWELLENLÄNDERN wie z.B. Mexiko? Wie hoch sind die Ausgaben für Mobilfunk im Vergleich zum Einkommen? In Ländern in Afrika, effektiv der 3. Welt, wird ein erschreckend hoher Anteil des Einkommens für SMS ausgegeben. Dort sind viele Nutzer dazu bereit, einen Tag auf ESSEN zu verzichten um weiterhin Nachrichten empfangen zu können (Quelle: irgendeine NPR-Radiosendung die ich gehört habe).

SMS ist aber nicht Smartphone – mehr noch, ein Mobilfunkanbieter der sein Geld mit SMS verdient wird den Teufel tun und Smartphones in seinem Netz forcieren da WhatsApp und iMessage für seinen Umsatz der Tod wäre. Wie hoch sind also die Ausgaben für ein Feature-Phone in diesen Ländern? Wo kommen diese Geräte her? Wie werden sie verkauft? Wie ist die Netzabdeckung in diesen Ländern? Hat auch nur EIN Analyst jemals auf eine Netzabdeckungskarte von China verwiesen, damit man sich einmal anschauen kann, wo und wie überhaupt 3G-Dienste in den Städten Chinas vertreten sind? Hat auch nur EIN Analyst eine Einschätzung veröffentlicht dazu, wie die Ausbauvorhaben der chinesischen Mobilfunkanbieter aussehen? Wer sich die Netzabdeckung in den USA anschaut lacht sich kringelig wenn er die Annahme von 1,2 Milliarden potentiellen Nutzern von Horace Dediu liest. Die USA haben 300+ Millionen Einwohner und selbst wenn man es wollte sind diese nicht ALLE potentielle Kunden für mobile Datendienste.

Aber zurück zu China. Ist eher ein Ausbau nach dem Vorbild des explosionsartig erneuerten Schienennetzes mit 350 km/h schnellen Hochgeschwindigkeitszügen zu erwarten oder hat der KOMMUNISTISCHE Staat eventuell kalte Füße bekommen bezüglich der Resultate die die Vernetzung der Bevölkerung in Ländern wie Syrien, Tunesien und Libyen hatte? Sprich ist der Staat FÜR einen Mobilfunkausbau oder DAGEGEN?

Ab und an bekommt irgendeine Webseite ein paar Geräte unter die Nase gehalten und irgendwelche Eierköpfe bei Forbes und Businessweek fantasieren sich zusammen wie sich diese Geräte auf den chinesischen Markt auswirken könnten, ohne uns auch nur ansatzweise stichhaltige Informationen über die Regeln des Spiels zu geben. Ich komme mir ehrlich gesagt langsam vor als ob mir Blogger wie Horace Dediu ein Pokerspiel interessant reden wollen, bei dem ich von den fünf am Tisch sitzenden Spielern jeweils nur eine Karte sehen kann.

Aber weil ich den Hersteller von „Pik“ total toll finde lese ich mir diesen Quatsch trotzdem durch. Könnte ja sein dass Pik „gewinnt“.

 

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Eine Antwort

  1. 02. 02. 2013 | 07:27

    […] und baut damit ein iPhone (sprich ein iPhone 4/5 Maxi/Plus/Note). In meinem Kommentar zum Mobilfunktmarkt in China hatte ich ja bereits den Artikel von iLounge verlinkt. Dort wird von einem eben solchen, größeren […]